Michler
Beschreibung Gelehrtenbibliothek Professor Markwart Michler (1923-2001)
Gelehrtenbibliothek Professor Markwart Michler (1923-2001)
Die Europa-Universität Viadrina hat keine Medizinische Fakultät - und doch befindet sich in der Universitätsbibliothek ein Konvolut von fast 1.000 Büchern aus dem Besitz des Medizinhistorikers Markwart Michler. Auf seine Anregung hin kamen die Bücher an die Europa-Universität Viadrina.
Michler studierte Medizin in Breslau und Berlin und ließ sich zum Facharzt für Chirurgie und Orthopädie ausbilden. Den Dr. med. erwarb er erst 1958 mit einer medizinhistorischen Studie über „Leibesübungen in der griechischen Heilkunde". Einmal für die Geschichte des eigenen Faches interessiert, konzentrierte er sich zunehmend auf antike Medizin und die Geschichte der Chirurgie/Orthopädie. 1961 wurde er Assistent am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Bonn und wechselte 1964 nach Hamburg. Sein Institutsleiter Johannes Steudel (1901-1973) verübelte ihm sein Engagement, die Rolle des eigenen Faches im Nationalsozialismus zu hinterfragen. Michler ließ sich nicht beirren, fand neue Lehrer und habilitierte 1965.
Nun kam ihm das Glück zu Hilfe. In den 1960er Jahren schnellten die Studentenzahlen in die Höhe. Viele Universitäten, die bisher kleine Fächer im Austausch durch Lehraufträge anboten, mussten das Angebot einstellen oder Professoren anstelle der Lehrbeauftragten berufen. In Gießen hatte lange Jahre Edith Heischkel-Artelt (1906-1987), eine Repräsentantin der alten, im Nationalsozialismus avancierten Medizingeschichte, das Fach vertreten. Nun musste sie 1965 mit ansehen, wie ihr junger Kritiker Michler zum ordentlichen Professor in Gießen ernannt wurde. Michler übernahm ein Institut, das nur dem Namen nach ein solches war. Die Bibliothek war winzig, die Materialiensammlung verstreut. Einst war die Medizingeschichte in Gießen ein großes Fach, 1920-1930 gab es sogar eine „Kulturgeschichte der Medizin“, die der Internist und Kritiker der Labormedizin Georg Honigmann (1863-1930) lehrte.
Michler knüpfte daran an und bot vor allem die "Geschichte der antiken Heilkulturen" an, was notwendigerweise mit kulturhistorischen Studien verbunden war. Natürlich erwartete er von seinen Studierenden, dass sie Latein und Altgriechisch zumindest in Grundzügen beherrschten.
In den 1960er Jahren war die Medizin voll von euphorischen Heilsversprechen, den menschlichen Organismus durch neue Operationen und Maschinen heilen zu können. Der Mensch selbst wurde als Maschine betrachtet, so etwas wie „Psyche“ hatte in diesem Weltbild keinen Platz. Michler hielt dagegen, hinterfragte psychosomatische Entwicklungen und empfahl interdisziplinäre Ansätze. Er hielt zahlreiche Vorträge, publizierte Aufsätze in medizinischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen oder historischen Zeitschriften. Auch die medizinische Ethik, stets aus der Geschichte heraus begründet, nahm eine wichtige Rolle in seinen Arbeiten ein.
1973 trat Michler in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde Jost Benedum (1937-2003). Michler blieb dem Fach als Wissenschaftler treu und erweiterte sein Werk um die Medizin der Romantik und der Aufklärung. Er verfasste zahlreiche Beiträge für Lexika, die Deutsche Nationalbiographie oder Aufsatzsammlungen. Interdisziplinäres Arbeiten war für ihn immer selbstverständlich.