Banner Viadrina

Karl Dedecius Stiftung

Karl Dedecius und die Rolle seines Schaffens im internationalen Dialog: meine Erinnerungen an die Konferenz am Collegium Polonicum

Wladomir Barbashow ©Vladimir Barbashow
2017-11-16_DSC8864 ©Adam Czernenko

Dr. Vladimir Barbaschov
RANEPA, Altaier Filiale,
(Barnaul, Russische Föderation)

  

Im November 2017 habe ich an der internationalen Konferenz  „Die Botschaft der Bücher – Leben und Werk von Karl Dedecius“ teilgenommen.  https://www.youtube.com/watch?v=F8izLKzZTxg. Und den Namen von Karl Dedecius für mich neu entdeckt. Diese einzigartige Veranstaltung werde ich in meinem Herzen im Laufe des ganzen Lebens behalten.

Die Konferenz wurde durch die Stiftung Karl Dedecius Literaturarchiv an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) in Kooperation mit der Universität Łódź, der Adam Mickiewicz Universität in Posen und dem Deutsch-Polnischen Forschungsinstitut am Collegium Polonicum in Słubice organisiert.

Und ich bedanke mich ganz herzlich bei Frau Ilona Czechowska und Ihren Kolleginnen und Kollegen dafür.

Durch seine Übersetzungen der Werke von russischen Dichtern leistete Karl Dedecius einen riesigen Beitrag zum interkulturellen Dialog zwischen Deutschland und Russland für mehrere Generationen. Er erlangte die Berühmtheit und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. Seiner Erscheinung in der Weltkultur ging aber das unbeschreibbare Leid voraus: die Gräuel des Krieges, schwere Verwundung bei Stalingrad, sowjetische Kriegsgefangenschaft und sieben Jahre Zwangsarbeit. Dank seinen intellektuellen Bemühungen, die andere Kultur zu erkunden, überlebte er, ließ aber seine Übersetzungen von diesen geistig-seelischen Erfahrungen geprägt zu sein. Das betont Karl Dedecius in seinen Erinnerungen: „Die Gedichte wurden mein Gefangenen-Tagebuch. Sie waren Spiegelbild der erfahrenen Extreme in Russland: Härte des Regimes und Weichheit und Wärme der Menschen. Unbefriedigter Lebenshunger und reales Leid in der Zwangssituation der Nichtangepaßten – bis zur Todessehnsucht. Das Übersetzen war der Beginn eines Studiums: andere Länder, andere Völker, andere Zeiten verstehen zu lernen, die Voraussetzungen des Zusammenlebens zu erkunden“.

Wenn man diese Übersetzungen liest, staunt man darüber, wie der Autor den Geist dieser Zeit spüren konnte. Karl Dedecius übersetzte 33 Werke von Sergej Jessenin. Und man gewinnt den Eindruck, als ob selbst S. Jessenin selbst die Gedichte schrieb, aber auf Deutsch.

Kahle Heine, nackte Fluren,
grauer Dunst, vom Fluss gesponnen.
hinter blaue Bergkonturen
rollte still das Rad der Sonne.
Schlummer halt den Weg umfangen,
der da träumt, der narbenvolle,
das er nicht mehr, nicht mehr lange
auf dem Winter warten solle.
Ach, ich sah durch Nebelhullen,
gestern, als der Busch mir flirrte,
wie der Mond, das Rote Fullen,
sich an unsern Schlitten schirrte.

Die Übersetzungen von S. Jessenin  wurden von 1961 bis 2004 viermal neu aufgelegt. 50 Jahre nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft wurde das Buch von Karl Dedecius veröffentlicht – «Mein Russland in Gedichten», darunter die Übersetzungen der poetischen Werke von A. Puschkin, M. Lermontow, A. Block, A. Achmatowa, W. W. Majakowskij, I. Brodskij.

Zu dieser Zeit wurde er bereits ein Wissenschaftler von Weltrang. Ende der 70er-Jahre gründete er das Deutsch-Polnische Institut in Darmstadt und leitete es rund 20 Jahre lang. Auf seine Initiative hin wurde die Polnische Bibliothek in 50 Bänden, ein Panorama der polnischen Literatur des 20.Jahrhunderts in 7 Bänden veröffentlicht. Er wurde Ehrendoktor an mehreren Universitäten, Gewinner zahlreicher Auszeichnungen. Seinen Namen trägt das Gymnasium mit dem vertieften Erlernen der deutschen Sprache in Lodz (Polen) genannt. Schon zu Lebzeiten des Wissenschaftlers wurde 2004 in Deutschland der Karl-Dedecius-Übersetzungspreis gegründet und 2010 wurde er Preisträger des deutschen Nationalpreises.

Sein Name ist in der ganzen Welt bekannt. Und Russland spielte nicht die letzte Rolle dabei.