„Das Programm ist mein Safe Space“ – Stipendiatin Mariia Romaniuk über Securing Futures

Ein Erasmus-Semester wollte Mariia Romaniuk im sicheren Frankfurt (Oder) verbringen, als in der Ukraine im Februar 2022 der russische Angriffskrieg eskalierte. Die 17-Jährige hatte damals gerade ein Studium in ihrer Heimatstadt Kyjiw begonnen. Inzwischen studiert sie an der Viadrina International Business Administration – gefördert als Stipendiatin im Programm Securing Futures.

Als Mariia Romaniuk am 14. März 2022 in Frankfurt (Oder) ankam, lagen drei Wochen hinter ihr, die sie heute eine „schlimme, traumatische Erfahrung“ nennt. Die damals 17-Jährige studierte seit wenigen Monaten Wirtschaft an der Kyjiw Mohyla Akademie, als der russische Angriff am 24. Februar 2022 abrupt ihr sorgloses Teenagerleben auf den Kopf stellte. Zusammen mit ihrer Familie flüchtete sie aus der Hauptstadt zum Sommerhaus der Familie in einen Ort, der wenig später von russischen Soldaten besetzt wurde. Schnell war klar, dass die Datscha keinen Schutz bot. „Es gab verschiedene Nothilfeprogramme, die meine Universität vermittelte. Noch bevor die Zusage von der Viadrina kam, machte ich mich mit meiner Mutter auf den Weg nach Deutschland“, erinnert sich die Studentin. Drei Tage in überfüllten Zügen und auf kalten Bahnhöfen später kamen sie in Frankfurt (Oder) an.

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„Im International Office war damals so viel los; es war unglaublich, wie sie das alles organisiert haben“, schaut Mariia Romaniuk auf die erste Notversorgung zurück. Schnell wurde sie in Storkow bei einer Freiwilligen-Familie untergebracht, später erhielt sie ein Stipendium und zog ins Wohnheim in Frankfurt. Doch die ersten Monate – vor allem nachdem ihre Mutter zurück in die Ukraine gereist war – waren geprägt vom Schock. „Ich habe meine Umgebung wie durch einen grauen Schleier wahrgenommen“, sagt sie heute. Egal ob Partys im Wohnheim oder ein Kurztrip nach Dresden – alles wirkte auf sie dumpf, Emotionen zeigen konnte sie nicht. Zurückschauend war das Treffen mit ihrem heutigen Freund ein Wendepunkt. Er und seine Familie geben ihr seitdem einen wichtigen Rückhalt. Was Mariia außerdem half, waren von der Viadrina organisierte Treffen mit anderen ukrainischen Studierenden. „Man hat uns hier mental betreut, das sagt viel über diese Universität“, findet Mariia Romaniuk. „Alle haben damals kurzfristig die Ukraine unterstützt, aber an der Viadrina hat man sich wirklich gekümmert.“

Das war auch einer der Gründe dafür, dass Mariia Romaniuk nach zwei Semestern als Erasmus-Studentin nicht wie andere Kommilitoninnen und Kommilitonen nach Toronto oder Glasgow ging, sondern für ein reguläres Studium der International Business Administration an der Europa-Universität blieb. Seit Kurzem wird sie dabei im Rahmen des DAAD-geförderten Programmes Securing Futures unterstützt. Neben einem Vollstipendium beinhaltete das Programm in den vergangenen Monaten unter anderem Workshops über gewaltfreie Kommunikation, Theater- und Filmabende, Netzwerk-Treffen mit Nichtregierungsorganisationen und vieles mehr. „Das Programm ist für mich zu einem Safe Space geworden und wir Stipendiatinnen und Stipendiaten zu einer Freundesgruppe“, sagt Mariia Romaniuk.

Aktuell werden 22 Studierende aus der Ukraine bei Securing Futures gefördert. „Im Jahr 2024 liegt unser Fokus verstärkt auf der Entfaltung des Potenzials unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten“, erläutert Programmkoordinatorin Maryna Pakholnytska die Zielsetzung. So half sie Mariia Romaniuk dabei, Kunsttherapie-Workshops und eine begleitende Ausstellung an der Viadrina umzusetzen. Bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten beobachtet Maryna Pakholnytska neben dem Wunsch nach finanzieller Unterstützung und Sicherheit ein Bedürfnis nach Gemeinschaft und Integration innerhalb und außerhalb der Universität.

Wie sehr sich ihr Leben im sicheren Deutschland von dem ihrer Freunde und Familie in der Ukraine unterscheidet, erlebt Mariia Romaniuk bei ihren Besuchen in der Heimat; auch in diesen Semesterferien hat sie wieder eine Reise geplant. „Einerseits freue ich mich darauf, auf der anderen Seite ist da die konstante Anspannung und die Gefahr“, erzählt sie von ihren gemischten Gefühlen. „Für meine Freunde, die in Kyjiw geblieben sind, ist es das neue Normal, um 3 Uhr morgens in den Schutzkeller zu gehen und von dort aus um 9 Uhr zur Arbeit. Ich bin das nicht gewohnt, es verstört mich.“

Umso wichtiger ist es ihr, viel über die Ukraine und die dortige Situation zu sprechen; gerade jetzt, nachdem der Krieg schon zwei Jahre dauert: „Wenn wir aufhören, über den Krieg zu sprechen, gerät er aus dem Blickfeld. Doch wir können ihn nicht vergessen, denn unser Volk leidet jeden Tag.“

Text: Frauke Adesiyan
Foto: Heide Fest


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Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies
Ukraine@Viadrina
Professur: Entangled History of Ukraine

Abteilung für Hochschul­kommunikation