Analyse der polnischen Parlamentswahl mit dem Frankfurter Oberbürgermeister

Studierende der Viadrina und der Universität Warschau trafen sich vom 8. bis 10. Dezember 2023 an der Viadrina, um über die Rezeption und die Ergebnisse der polnischen Parlamentswahl zu sprechen. Der Workshop fand im Rahmen des Seminars „Analyzing Polish Parliamentary Elections from Polish-German Student Perspective“ statt – ein Lehrprojekt von Prof. Wojciech Gagatek von der Universität Warschau und Viadrina-Politikwissenschaftlerin Dr. Anja Hennig. Einer der Höhepunkte des Treffens war ein Gespräch mit Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke.

Er bringe immer seine eigene Teekanne samt Tasse mit, erklärt René Wilke, als er am Samstagmorgen im Hauptgebäude 21 Studierenden der Universität Warschau und der Viadrina gegenübersitzt. Doch viel Zeit zum Teetrinken bleibt dem Frankfurter Oberbürgermeister in den folgenden neunzig Minuten nicht. Wie hat er persönlich auf den Wahlsieg der polnischen Opposition am 15. Oktober reagiert? Was könnte sich jetzt für die Politikgestaltung in der Doppelstadt ändern? Wie hart treffen die deutschen Grenzkontrollen den Alltag hier? Welche Hürden erlebt er in der interkulturellen Kommunikation mit seinem polnischen Amtskollegen? - herausfordernde Fragen, auf die er Antworten findet, die den Studierenden wie Lehrenden spannende Einblicke in das Denken und politische Handeln einer Person geben, die sich seit fünf Jahren unter den erschwerten Bedingungen der nun abgewählten PiS-Regierung für die Belange Frankfurts und Słubices einsetzte. So sehe er nun eine große Hoffnung darin, dass Warschau sich endlich für die Anliegen – und sei es nur die administrative Regelung der gemeinsamen Doppelstadt-Buslinie – interessiere und aktiv werde. Karolina Suchta von der Universität Warschau fand Wilkes Ausführungen über die bei Weitem nicht spannungsfreien, grenzüberschreitenden Kooperation „thought-provoking“.

Für Ahmed Tahoun, ebenfalls aus Warschau, war das Gespräch mit dem Oberbürgermeister sogar ein Höhepunkt dieses zweiten und letzten Workshops, der innerhalb des Seminars „Analyzing Polish Parliamentaty Elections from Polish-German Student Perspective“ stattfand. Das Seminar ist ein blended learning Projekt von Prof. Wojciech Gagatek von der Fakultät für Politikwissenschaft und Internationale Studien der Universität Warschau und Dr. Anja Hennig von der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Viadrina. Führte der erste Workshop just zum besagten Wahlwochenende Mitte Oktober die Studierenden durch die letzten Stunden des Wahlkampfes in Warschau, ging es in Frankfurt (Oder) nun darum, die Ergebnisse ihrer Online-Gruppenarbeit der vergangenen Wochen zur Diskussion zu stellen: Wie wurde das polnische Wahlergebnis in Deutschland, in Großbritannien, der EU und in der Ukraine sowie Russland rezipiert? Interessant war hier zu sehen, wie fast alle Parteien in Deutschland unmittelbar nach der Wahl dem voraussichtlichen Regierungsbündnis um den Oppositionsführer Donald Tusk von der Bürgerplattform (PO) enthusiastisch gratulierten. Auch in der Ukraine gab es zeitnah wohlwollende Reaktionen auf vielfältigen (Social Media-)Kanälen. In Großbritannien zeigte man sich hingegen zurückhaltend, während Spitzenvertreterinnen und -vertreter der EU Tusk erst nach seiner Wahl durch den polnischen Sejm am 12. Dezember herzlich gratulierten.

Das Programm, das am 8.12.2023 im Collegium Polonicum mit der ersten Präsentation und einer Begrüßung durch den Dekan der Kulturwissenschaftlichen Fakultät Prof. Timm Beichelt begann und Sonntag mit einer Exkursion nach Berlin auf den Spuren der Berliner Mauer endete, war sehr dicht. Die einzige „Pause“ am Samstag bestand in einer Stadtführung durch die politische Geschichte der Doppelstadt und einem im verbuendungshaus fforst ausklingenden Abend. Doch die Studierenden beider Universitäten hatten sich bereits im Oktober so gut zusammengefunden, dass nicht nur die Freude über das Wiedersehen, sondern auch das Interesse am Diskutieren sehr groß waren. Für Fatima Abdelhalim von der Universität Warschau war dabei auch der Austausch mit den beiden (durchaus unterschiedlichen) Lehrkräften ein Gewinn, die sich auch selbst mit „herausfordernden Beiträgen“ in die Diskussionen einbrachten. Für Vanessa Czerwionka war es das erste Semester an der Viadrina und somit auch die erste Begegnung mit „Słubfurt” und der Art und Weise, wie sich die Stadt im Laufe der Geschichte gewandelt hat.

Für die Lehrenden war der Aufwand für dieses besondere Seminarprojekt, das von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit finanziert wurde, immens. Auch stellt transnationales Co-Teaching eine Herausforderung dar. Doch der Gewinn durch gemeinschaftliche Horizonterweiterungen, unerwartete Selbstverständlichkeiten, entstehende Freundschaften und natürlich neue fachliche Erkenntnisse rechtfertigt diesen Einsatz vieler – so das Fazit. In einer Reihe von Blogeinträgen im Wissenschaftsblog von Polenstudien Interdisziplinär im Frühjahr 2024 wird die Thematik des Seminars eine erneute Reflexion erfahren.

Text: Anja Hennig