Viadrina-Historie als Spiegel großer Umbrüche – Buchvorstellung „Geschichte(n) von Stadt und Universität“

Das Buch „Geschichte(n) von Stadt und Universität: Frankfurt an der Oder und die Viadrina“ schlägt einen Bogen von den Anfängen der alten Viadrina im 16. Jahrhundert bis zu Rassismus-Erfahrungen von Studierenden und Beschäftigten nach der Gründung der Europa-Universität in den 1990er-Jahren. Am 28. November 2023 wurde der von Prof. Dr. Klaus Weber und Felix Töppel herausgegebene Band im Senatssaal der Viadrina vorgestellt.

„Ohne die Stadt kann die Universität nicht gedacht werden, und umgekehrt verhält es sich ebenso“, erklärte Felix Töppel, Mitarbeiter der Viadrina-Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zur Begrüßung die Grundidee des von ihm mitherausgegebenen Buches. Prof. Klaus Weber, Inhaber der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, schlug den Bogen noch weiter: „Es geht hier nicht nur um Frankfurt und die Universität, sondern auch um die großen Umbrüche – die Makroebene – die wir mit dem Blick auf unseren eigenen Ort – die Mikroebene – besser verstehen.“ Dieser Ansatz zieht sich vom Beginn der alten Universität im Jahr 1506 bis zu deren vorläufigem Ende 1811. Beide Ereignisse seien symptomatisch für ihre jeweilige Epoche, so Weber: die der einsetzenden Reformation und die der Napoleonischen Kriege und preußischen Reformen.

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Die Herausgeber: Prof. Dr. Klaus Weber (rechts) und Felix Töppel


Mit der Zeit dazwischen beschäftigen sich die meisten Kapitel des Buches. Da geht es um die Netzwerke der Professoren-Familien, um den Umgang mit Pest-Ausbrüchen und einzelne prägende Persönlichkeiten wie Leonhard Christoph Sturm und Christian Ernst Wünsch. Zur Buchpräsentation stellte der Kulturwissenschaftler und Historiker Jakob Hübner sein Kapitel über „Die Bedeutung des Weinbaus für Frankfurt an der Oder und die dortige Universität“ näher vor. Die Universität selbst zählte mehrere Weinberge zu ihrem Besitz. Der dort gewonnene Weißwein brachte zwar viel weniger Geld ein als beispielsweise die Getreideernte, schmeckte den Viadrina-Professoren aber offensichtlich sehr gut, wie zahlreiche Zitate belegen.

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Jakob Hübner bei der Vorstellung seines Kapitels über die Weinberge der Viadrina


Mit einem abschließenden Kapitel schlägt das Buch eine Brücke zur 1991 gegründeten Europa-Universität. Maria Klessmann und Ronja Kroll berichteten bei der Buchpräsentation von ihrem Thema „Die neu gegründete Viadrina zwischen Aufbruch und Rechtsextremismus“. Sie erinnern an rassistische Übergriffe auf polnische Menschen, die über die Grenze kamen, an Molotowcocktails, die auf ein Studierendenwohnheim geworfen wurden und an ein von rechten Pöbeleien geprägtes Stadtleben in Frankfurt (Oder). In ihrem Kapitel stellen sie die Frage nach soziopolitischen Zusammenhängen zwischen einer derart geprägten Stadt und einer Universität, die dezidiert als grenzüberschreitendes, internationales Projekt gestartet ist.  Zugrunde lag dem Text ein Seminar im zu dem Thema, aus dem die Ausstellung „GrenzGewalt und die Viadrina in den 1990er Jahren“ im Sommer 2022 hervorgegangen war.

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Maria Klessmann (rechts) und Ronja Kroll schauen in ihrem Kapitel auf den Umgang der Viadrina mit rassistischen Vorfälle in den 1990er-Jahren zurück.


Davon, dass sich der Blick in die ferne und nähere Geschichte der Viadrina auch für die heutigen Generationen an der Europa-Universität und darüber hinaus lohnt, sind die Herausgeber überzeugt. Mit ihrem Buch legen sie den ersten Band der neuen Schriftenreihe des Fördervereins zur „Erforschung der Geschichte der Viadrina“ vor, der die Frankfurter Universität im Kontext der deutschen und europäischen Universitäts- und Wissensgeschichte einordnen will. Die Fortsetzung ist bereits in Arbeit: Prof. Dr. Andreas Bähr bereitet die deutsche Übersetzung und Kommentierung einer Doktorarbeit vor, die 1677 an der Juristischen Fakultät der damaligen Frankfurter Universität verteidigt worden ist. Der schöne Titel lautet: „De curiositate – Über die Neugierde“.

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Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Joseph Mainberger